Ein Phänomen nimmt zu: Wie Politiker zu Wortneubildungen anregen.

Bundespräsident Wulff: Labern, flunkern, schnorren? (© Bundesregierung/Denzel)

(25.1.2012) Heute treibt mich die Chronistenpflicht an die Tastatur, ich möchte die Geburt eines neuen Wortes anzeigen. Das kommt zwar häufiger vor, seit via Internet die Kulturen und Sprachen zusammenwachsen. In diesem Fall sind jedoch die Umstände der Entstehung und die Herkunft des Wortes bedeutsam. In der Affäre um den Bundespräsidenten Christian Wulff sind immer mehr Details ans Tageslicht gekommen, das Verhalten des Präsidenten hat dazu geführt, dass nun sogar ein neues Wort kreiert wurde: Wulffen. Es bedeutet in Anlehnung an die unrühmlichen Details:

  • jemandem eine lange Nachricht auf der Mailbox zu hinterlassen,
  • nicht die ganze Wahrheit zu sagen, ohne ausdrücklich zu lügen, und
  • möglichst viel mitzunehmen, ohne zu bezahlen.

Die dritte Bedeutung posaunte der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach erst am Sonntag lustvoll in Günter Jauchs Talkshow-Runde.

Hurra, ein neues Wort ist da! Bemerkenswert: Diese Neuschöpfung ist die erste seit einiger Zeit, die – anders als fail oder swag – nicht aus dem Englischen stammt. Notwendig ist wulffen nicht, denn es bezeichnet inhaltlich nichts Neues: Der erste Bullet point heißt umgangssprachlich quatschen oder labern, der zweite rumdrucksen oder flunkern und der dritte schnorren. Ich kann mir auch kaum vorstellen, wie jemand wulffen konjugiert (er, sie, es wulfft); aber darum geht es wohl nicht, Ziel der Neuschöpfung ist vermutlich nur, Wulff zu verspotten.

Nach hartzenguttenbergen und riestern ist wulffen das vierte Verb in relativ kurzer Folge, das auf einen Politiker oder jemanden mit Politiknähe zurückgeht. Das Prinzip gab es auch früher schon. Ich erinnere mich an schrödern, wenn es um rüpelhaftes, oder merkeln, wenn es um zögerliches Verhalten ging. Beide haben sich aber nicht lange gehalten, geschweige denn im Wortschatz etabliert.

Anders sieht es beim Hartzen aus, das sich mit der Bedeutung von Hartz IV leben sogar schon einen Platz im Duden erkämpft hat und die Wahl zum Jugendwort des Jahres 2009 für sich entschied. Ganz so weit ist riestern noch nicht. Aber 15 Millionen Arbeitnehmer, die sich entschlossen haben privat fürs Alter vorzusorgen, sind eine solide Basis für eine Wortbildung, 174.000 Google-Treffer (Stand: 25.01.12.) auch – der Dudeneintrag dürfte folgen.

Und zur Abwechslung wird hier nicht gespottet, sondern ganz ernsthaft gespart.

6 Responses to Riestern, hartzen, wulffen: Politiker gebären Verben
  1. PR-Beiträge in der KW 04/2012: Frühlings-PR & Interview-Autorisierung | kommunikationsABC.de 27. Januar 2012 at 09:38 Antworten

    […] Riestern, hartzen, wulffen: Politiker gebären Verben […]

  2. […] FU! (1. Scheiße, 2. Fick dich!) 3. Yalla! (Los! Beeil dich!) 4. Wulffen (1. jemandem die Mailbox vollquatschen; 2. lügen; 3. auf Kosten anderer leben, etwas umsonst […]

  3. […] wulffen (hey, das wäre auch mein Kandidat gewesen) […]

  4. […] wurde ich dazu durch diesen Beitrag auf Better Media, in dem das Wort wulffen in seinen drei Bedeutungen diskutiert wird — als da […]

  5. […] in Verbindung mit wenig. Politiker sind generell Gegenstand von Wortschöpfungen, wenn Sie an wulffen denken. Allerdings waren die letzte Kreationen, wie etwa spahnen, (was die Anmaßung bezeichnet, […]

  6. […] committern oder browsern, oder? Das überschüssige r erinnert an deutsche Verben wie ballern oder riestern. Ursache für die kuriose Fehlbildung ist wohl, dass das englische Substantiv booster als Grundlage […]


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